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DEMNÄCHST

LESESTOFF

Neue Wege in die Theaterzukunft

 

Entwicklung zur Multibühne

Dass sich unser Theater zu einer Multibühne entwickelt hat, war eine sehr glückliche Entwicklung. Denn sie hat uns weiter die Augen dafür geöffnet, was am Theater alles möglich ist. Mit der Auffächerung des Programms kam frischer Wind in unser Haus, kam auch viel neues Publikum. Damit sind auch wir Teil einer positiven Entwicklung, bei der sich Theaterhäuser weiterhin öffnen, um die Kunst näher an die Menschen zu bringen. 

 

Gastspieler*innen aus allen Richtungen

Viele Künstler*innen strebten nach der großen Zäsur in der Live-Kultur wieder auf die Bühnen zurück und suchten unter erschwerten Bedingungen einen professionellen Auftrittsort, den wir ihnen mit unserer verbesserten Infrastruktur und unserem Know-how bieten können. Ausschlaggebend dafür war auch die technische Neuausstattung unseres Theaters, die wir dank öffentlicher Förderungen bewerkstelligen konnten. Es sprach sich schnell herum, dass wir ein attraktiver und verlässlicher Gastspielort sind. Wir haben einen sehr guten Bühnen- und Zuschauerraum, faire Konditionen und ein umfassendes Servicepaket. Unsere Organisationsstruktur (Drei-Monats-Spielpläne) und da wir auf größere Bühnenbilder verzichten, machen uns dafür beweglich, auch während der laufenden Saison Gastspiele annehmen zu können. 

 

Unsere eigene Theaterschiene

Nun, da die Gastspiele in unserem Haus gut auf Schiene sind und viele Gastspieler*innen gerne wiederkommen, möchten wir auch wieder mehr auf unsere angestammte Kunst fokussieren. Wir werden wieder ein kleines fixes Schauspiel-Ensemble aufbauen, unser Technikteam erweitern und damit unsere eigenen Theaterproduktionen wieder besser plan- und realisierbar machen. Denn neue künstlerische Formen und Wege des Theaters müssen gefunden werden, um den vielen Fragen gerecht zu werden, die sich in brüchigen Zeiten einem sich verändernden Publikum stellen.

 

Viele Facetten zeigen

Als freies Theater möchten wir inhaltlich, thematisch und auch ästhetisch Stellung beziehen und das Theater weiterhin als demokratischen, sozialen und auch politischen Ort positionieren. Theatermachen kann gerade in diesen Zeiten ein wichtiger Akt sein, liberales Denken mit all den Konflikten, die eine freie und pluralistische Gesellschaft mit sich bringt, zu üben und zu stärken. Und Theater kann sich umso besser für eine offenere Gesellschaft einsetzen, je mehr Facetten es zeigt. Den Möglichkeiten am Theater sind auch deshalb keine Grenzen gesetzt, da es viele andere Künste in sich aufnehmen kann (Musik, Literatur, Film, bildende Kunst etc.) und Hybridformen entwickeln.

 

Wirkungen erzeugen

Im Sinne der Öffnung auch hin zu mehr Publikumsvielfalt legen wir in unseren eigenen Theaterproduktionen den Fokus nun verstärkt auf Diskurstheater und performatives Theater. Dabei möchten wir unseren Hang zum Literatur- und Schauspieltheater nicht aufgeben, sondern dieses weiterentwickeln. Wir vertrauen dabei nach wie vor auf die besondere Kraft der Reduktion, sodass das Publikum weiterhin viel Imaginationskraft beisteuern kann. Reduktion am Theater hat eine Qualität, die nicht genügend gewürdigt werden kann, da sie den gängigen Sehgewohnheiten widerspricht und die Aufmerksamkeit erhöht. Damit kann sie ein tieferes Verständnis erzeugen, etwa für andere Lebensentwürfe oder -praktiken, andere Überzeugungen oder Weltsichten als die eigenen.

 

Da es heute niemanden mehr interessiert, sich von Kunst belehren zu lassen, ist ambitioniertes Theater nicht nur mehr eine inhaltliche, sondern auch eine formal-ästhetische Angelegenheit geworden. Als moralische Anstalt hat das Theater ausgedient, trotzdem kann man festhalten an einer Wirkungsabsicht. Da sich Bühnenkunst immer im Austausch mit dem Publikum ereignet, kann sie immer wirken. Auch wenn Theater gedankenvoll ist, wird es kaum Antworten liefern, auch wenn es eher performativ ist, wird es immer etwas aussagen. Dieses Spannungsfeld gilt es auszuloten und mit Geschichten zu füllen, wo Lebensrealitäten verhandelt werden, die mit den heutigen Menschen zu tun haben.

 

Das kulturelle Spektrum abbilden und involvieren

Geschichtenerzählen mittels Theater ist sehr differenziert möglich und hat etwa im großen Spektrum des politischen und postmigrantischen Theaters wieder große gesellschaftliche Relevanz bekommen. Viele unterschiedliche Lebensrealitäten auf dem Theater zu verhandeln, auch unter Teilnahme und Teilhabe eines möglichst großen kulturellen Spektrums, ist auch aufgrund der vielen Spannungen, Krisen und Kriegen sehr relevant geworden. Theater war immer schon eine besonders intensiv aufnehmende und verarbeitende Kunst, zumal Theaterkünstler*innen immer auch ihre persönlichen Geschichten und Wahrnehmungen sowie ihre kulturellen Hintergründe in ihre Theaterarbeit einbringen. Vor allem junge Menschen, die in ihren Identitäten oft zwischen den Kulturen zerrissen werden, können von solchen Geschichten profitieren. Besonders gut merken wir dies zurzeit bei unserer Jugendproduktion MALALA.

 

Unsere Inszenierungen

Was unsere eigenen Inszenierungen betrifft, haben wir schon vor den Krisenjahren begonnen, uns künstlerisch weiterzuentwickeln und auch gewisse spielplantechnische Routinen zu verlassen. Unsere Stück- und Stoffauswahl ist diverser geworden und wir haben seit geraumer Zeit viele Prosabearbeitungen im Programm. Damit haben wir uns auch neuen Formen geöffnet, die neue Herangehensweisen erfordern. 2023 standen bei allen drei Eigenpremieren erstmals Adaptionen von Prosatexten auf dem Programm, die wir mit unseren neuen technischen Mitteln nun besser realisieren können, etwa durch interaktive Bühnenbilder im Graphik-Novel-Stil oder durch eingespielte Ton- und Bildebenen. Wir können dadurch weiterhin große und dichte Stoffe realisieren und das performative Element betonen, das sich z.B. unter den Texteinspielungen durch nonverbales Spiel entfalten lässt.

 

Waren wir schon länger dafür bekannt, klassische Stoffe unkonventionell zu bearbeiten, können wir nun Theaterkonventionen völlig aufbrechen bzw. sie in neue Kontexte setzen. Dafür ist eine enge Zusammenarbeit zwischen unserem Schauspiel- und Technikteam notwendig geworden und Probenprozesse müssen nun technisch durchgehend begleitet werden, da das Live-Spiel exakt auf Ton und Bild gebaut werden muss. Solche und weitere experimentelle Wege möchten wir nun auch im Jugendtheaterbereich verstärkt gehen, um dem jungen und neuen Publikum zeitgemäße Formen zu bieten sowie ihre Fantasie und ihre aktive Rezeptionshaltung anzuregen.

 

Theater im Transformationsprozess

Auch das Theater ändert sich mit der Gesellschaft und auch wir sind in einem Transformationsprozess, bei dem sich die Frage auftut, was Theater eigentlich ist und sein kann für die Menschen heute, inhaltlich, formal, von der Wirkungsabsicht her. Beantworten lässt sich diese Frage nicht allein im Kopf, sondern über Prozesse des Ausprobierens. Auch wir möchten das Theater weiterentwickeln und haben Routinen verlassen, die es uns früher ermöglicht hatten, viel, schnell und erfolgreich zu produzieren, als wir noch glaubten, mit unserem kleinen Budget mit den großen Häusern quantitativ mithalten zu müssen. Wenn wir viele Gewohnheiten nun aufbrechen, manche Erwartungshaltungen nicht mehr erfüllen, ist dies auch für unser Publikum belebend. Wir können neue Erfahrungen ermöglichen und auch selber machen.

 

Theater als demokratisches Medium

Theaterarbeit ist also Arbeit in und mit der Gesellschaft, wo alles im Sinne des Ganzen geschehen muss, und wo gleichzeitig die Vielfalt aller Beteiligten sichtbar bleiben sollte. Theater kann einer liberalen und pluralistischen Weltsicht sehr entgegen kommen, da es selbst keine Gewissheiten und Wahrheiten vorgibt. Theater freut sich daher über ein offenes Publikum, eines, das sich einlassen und überraschen lassen will, auch mit und von sich selbst. Im Theater als demokratisches Medium liegt auch seine Zukunft. Deshalb ist es wichtig, manch zähes Muster des Repräsentationstheaters zu durchbrechen, aber auch seine fortgeschrittene Kommerzialisierung zu untergraben.

 

Der Kommerzialisierung entgegenwirken

Dass die Regeln des Marktes so Einzug gehalten haben auch in unsere Kunst, das ist bitter auch deshalb, weil man es fast nicht mehr merkt. Wenn man glaubt, vermeintliche Erwartungshaltungen erfüllen zu müssen, um genügend Karten zu verkaufen, ordnet man das Publikum ein und bringt das Theater gleichzeitig um viele seiner Besonderheiten und Möglichkeiten. Man merkt es aber nicht gleich, weil auch am Theater eine große Betriebsamkeit herrscht. Ein rasender Stillstand kann entstehen, der durch Hyperproduktivität zwar verschleiert werden kann, diese hat jedoch nicht die Kraft, das Theater auf Dauer am Leben zu erhalten.

 

In neue Fahrwasser kommen

In einer Zeit, wo sich so vieles ändert, sollte deshalb auch das Theater alles daransetzen, sich mit zu verändern, sich zu öffnen und alte Gewissheiten zu hinterfragen. Dann kann es auch in Zukunft noch genügend Publikum finden. Es allein als Konsumentinnen und Konsumenten anzusprechen, das wird wenig Zukunft haben. Denn ebenso wenig wie es pauschales Theater gibt, gibt es auch nicht das pauschale Publikum, das man bedienen kann, auch wenn viele Konventionen immer noch darauf abzielen. Dieses alte Fahrwasser gilt es zu verlassen.

 

Zeit für Reformen

Gelingt es dem Theater, sich durch verstärkte Selbstreflexion, durch experimentellere Praxis, durch gesellschaftspolitische Anliegen, durch verstärktes Zusammenwirken auch mit Akteur*innen aus anderen Bereichen, durch das Überdenken seiner Begriffe, das Aufbrechen von Dogmen und Dualismen, durch Cross-Over-Experimente, das Ablegen von eindeutigen Rollenzuschreibungen, das Verlassen von bequemen Routinen, das Reagieren auf veränderte gesellschaftliche Realitäten, das Zurücknehmen seines moralischen Hoheitsanspruchs, das Ausbrechen aus Modeströmungen, das bewusste Brechen von Erwartungshaltungen, das Insistieren auf genügend Zeitnahme und Konzentration, gelingt es mit diesen und noch vielen weiteren Ansätzen, das Publikum zu erreichen, es zu bewegen und immer wieder neu zu überraschen, ihm etwas zuzutrauen, anstatt es zu bestätigen, zu besänftigen, auszupowern oder abzulenken, dann wird sich das Theater auch in Zukunft halten können. Wenn auch verändert, wenn auch in zahlreichen Ausprägungen, wie es einer lebendigen Kunstform am Puls der Zeit entspricht. Aber daran ist zu arbeiten.

 

Die Spur des Theaters

Unzählige Theaterreformen quer durch die Jahrhunderte und gehäuft anzutreffen in der europäischen Moderne, der ersten Avantgarde, zeigen die Spur, wie sich das Theater aus seiner jeweiligen Zeit und Gesellschaft heraus erneuern wollte und konnte. Diese Spur nicht nur als historisch zu sehen, sondern sich auch davon inspirieren zu lassen, lohnt immer. Man muss am zeitgenössischen Theater keine Angst vor dem haben, was uns unsere Theaterahnen hinterlassen haben. Manche Einzelkünstler*innen oder Künstler*innengruppen waren so radikal und so geleitet von dem Wunsch, in die Gesellschaft einzuwirken und dabei neue Mittel auszuprobieren, dass wir uns von ihrem Mut, ihrer Experimentierfreude, ihren Manifesten, ihrem Interesse auch für andere Kulturen viel abschauen können.

 

Eine aktive Rezeptionshaltung fördern

Theater richtet sich immer an ein Publikum, das aber noch viel neugieriger und offener sein könnte, wenn man es lässt. Unser Publikum hat sich 2023 stark erweitert und auch wieder stark vermehrt. Wir merken, dass neues und junges Publikum nachkommt, wenn es sich etwa auf Augenhöhe angesprochen fühlt. Wenn wir etwa bei den Nachbesprechungen Einblicke geben in Entstehungsprozesse, wenn auch die Inszenierungen selbst so transparent gebaut sind, dass sich der Entstehungsprozess darin abbildet. Wir möchten, dass sich das Publikum nicht als passives Gegenüber empfindet, sondern in aktiver Rezeptionshaltung von vornherein involviert ist. Dieses Theater auf Augenhöhe ist in unserem kompakten Raum besonders gut möglich und kürzlich sahen wir bei der Langen Nacht der Bühnen, dass sich mit performativen Cross-Overs, die auch inhaltliche Ansprüche stellen, sehr viel junges Publikum auch abseits der Schulen gewinnen lässt.

 

Alte Dualismen überwinden

Insgesamt nehmen wir wahr, dass sich die Theaterlandschaft weiter öffnet und dass sich Institutionen und die freie Szene immer mehr verbinden. Alte Trennungen und Dualismen werden dadurch immer weniger gültig, auch wenn sie sich in den Begriffen, auf den Etiketten oder in den Köpfen öffentlich teilweise immer noch halten. Oft sind dies auch Wertmaßstäbe, die sich an der Größe oder Bekanntheit einer Einrichtung orientieren. Aber auch hier gilt es, alte Wahrnehmungen zu überwinden und sich auch auf das Unbekanntere mehr einzulassen. Denn auch sogenannte Bühnengrößen treten gern in kleineren Häusern auf, weil es ihnen Freude macht, nah am Publikum zu sein und auch Newcomer*innen brauchen etablierte Orte, um adäquat wahrgenommen zu werden. Oft finden sich diese beiden Kräfte auch über gemeinsame gesellschaftliche Anliegen zusammen, was ebenfalls dazu beiträgt, dass sich Wertmaßstäbe ändern.

 

Die Grenzen des Realen überschreiten

Wir haben immer wieder Abende, auch Benefizveranstaltungen, wo hierarchische Denkmuster aufgebrochen werden und wo Kunst besonders tief in die Realität eingreifen kann. Wo die Grenzen der Realität auch verstärkt durch Möglichkeitsentwürfe überschritten werden. Theater kann die Grenzen des Realen immer transzendieren, weil es in keiner Sekunde irgendeine äußere Realität nur abbildet, sondern sie aufgreift, um sie inhaltlich und künstlerisch zu durchdringen, zu formen und zu erweitern. Damit ist das Theater sowohl ein sozialer, kommunikativer, politischer und ästhetischer Ort, als auch ein Ort der Bildung, wo künstlerisch mit Gegenöffentlichkeit experimentiert werden kann. Wo auch Zeitgeschichte mal aus anderen Perspektiven erzählt werden kann, etwa, wenn in Projekten der Erinnerungskultur auch weibliche Akteurinnen aus der Vergessenheit geholt werden.

 

Junge Theaterformen unterstützen

Unsere gemeinsame Anstrengung muss es weiterhin sein, Vielfalt und Diversität zu erhöhen und das Spektrum der Gesellschaft auch auf der Bühne zu berücksichtigen. Es müssen auch Stimmen hörbar gemacht werden, die sich in der Öffentlichkeit sonst nicht oder nur unzureichend artikulieren können. Auch der Theatermacher*innen-Nachwuchs braucht in diesem Sinne viel mehr Möglichkeiten, sich in die Theaterlandschaft einzupflanzen und zu erblühen. Auch dies ist in unserem Haus nun verstärkt möglich, etwa mit Poetry Slam, Powerpoint Karaoke, Spontantheater und anderen jungen Impro-Formaten, die von den Wortwerklern oder den Impropheten auf unserer Bühne laufend neu entwickelt werden.  

 

Crossovers aus Kunst & Campus

Theater lebt immer mit den Menschen, die daran arbeiten und auch wir wollen es nicht mehr einengen auf gut gebaute Theaterstücke, sondern es mehr mit anderen Künsten oder der Wissenschaft zusammenspannen. Ein Beispiel dafür war etwa unser eigenes zweiteiliges Doku-Drama über die Biografie der Widerstandskämpferin Milena Jesenská. Bei den Gastspielen ist es z.B. die Trilogie über das Leben der jüdischen Sozialpsychologin Marie Jahoda, wo Lesung, wissenschaftlicher Vortrag und Live-Musik verbunden werden. Auch Johannes Neuhauser und Bettina Buchholz vom Kulturverein Etty, mit dem wir mittlerweile auch koproduzieren, zeigt regelmäßig Crossover-Projekte zur Erinnerungskultur sowie Projekte zu psychologischen und sozialen Fragestellungen.

 

Gute Unterhaltung fördern

Wir können immer spontan eine Bühne bereitstellen, wo sich viele inhaltliche Anliegen über verschiedenste ästhetische Formen artikulieren lassen. Am Theater darf aber auch das legitime Unterhaltungsbedürfnis des Publikums nicht zu kurz kommen, denn man will seinem Publikum gerade in harten Zeiten von Herzen auch das Lachen gönnen. Hier haben wir etwa Gastspiele, die performativ oder kabarettistisch über die Entwicklung der Körpersprache oder über Ernährungsmythen informieren. Das Interesse des Publikums ist riesig.

 

Diskurse entfalten

Mit unserem Programm können also auch wir nun zeigen, was in einem Theater alles möglich ist und dabei auch den Begriff des Theaters breiter fassbar machen. Es braucht aber nicht nur ein entsprechendes Angebot, sondern auch Zeit und Gespräche, um eingefleischte Wahrnehmungen von Theater auch in der Öffentlichkeit aufzubrechen. Daher wäre es wünschenswert, wenn sich zu den Veranstaltungen auch mehr begleitende Diskurse entfalten könnten. Diskurse, die sich bei den Vorstellungen ereignen, müssten also auch medial mehr in der Öffentlichkeit ankommen, wie dies etwa in größerem Stil bei den letzten Wiener Festwochen der Fall war. Da wir als Tribüne Linz am Schnittpunkt von freier Szene und Institution agieren, können auch wir dazu beitragen, Transformationsprozesse des Theaters öffentlich wahrnehmbarer zu machen. Auch wir selber können aus unserer Praxis heraus über das Theater öffentlich nachdenken und dies auf unserer Homepage veröffentlichen, was wir immer wieder unter der Rubrik Lesestoff tun.

 

Drei-Monats-Spielpläne

(Unser) Theater ist also im Um- und Aufbruch, zeigt einen großen Pluralismus, viele Cross-Overs und eine starke Durchlässigkeit. Wenn sich Künste aus allen Richtungen im Theater treffen und verbinden, kommt auch das Publikum aus allen Richtungen herbei. Als Leitungsduo sind wir selbst überrascht, wie vielfältig unser Publikum geworden ist, seitdem mehr Künstler*innen das Programm unseres Theaters mitgestalten. Mit der größeren Bandbreite an Angeboten können wir im Drei-Monats-Rhythmus das Publikum auch immer wieder neu überraschen. Dass unser Publikum mit Jahresbeginn 2023 plötzlich wieder so zahlreich gekommen ist, hängt für uns ganz klar auch mit der Öffnung unseres Hauses und der Erweiterung unseres Programmangebots zusammen.

 

Das junge Publikum

Auch das junge Publikum muss weiterhin genügend Angebote finden, damit es sich jetzt und auch für die Zukunft von der vielfältigen Kunstform Theater begeistern lassen kann. Und so sollen auch in Zukunft nicht nur wieder Schüler*innen-Projekte bei uns Platz finden, wo die Jugendlichen selbst auf der Bühne wirken, sondern auch unsere Schulschiene muss wieder mehr bestückt werden. Denn die Schulklassen waren die ersten, die im Herbst 2022 als Publikum zurückgekehrt waren. Schulen und andere Bildungseinrichtungen sind es auch, wo viele Kinder und Jugendliche ihre ersten Theatererfahrungen machen können. Seit Jahresbeginn 2023 geht es aber auch mit dem Theaterpublikum am Abend zahlenmäßig wieder spürbar bergauf. Diesem Publikum möchten wir nun wieder ein kontinuierliches eigenes Angebot machen. Dabei hoffen wir, dass alte Vorlieben, die wir jahrelang bedient haben, etwa klassische Stoffe, aufgebrochen werden können und dass sich unser Theaterpublikum genauso öffnet, wie wir es getan haben.

 

Teil einer dynamischen Entwicklung sein

Als Tribüne Linz sind auch wir nun also verstärkt Teil einer dynamischen Entwicklung in unserer sich verändernden Welt und Gesellschaft. Das ist eine große Chance und auch wir möchten sie nützen und uns als ein Haus positionieren, wo Genre-, Stil- und Themenpluralismen eine große Rolle spielen. Denn Theaterarbeit ist ein ständiger lebendiger Prozess und Austausch zwischen Menschen. Das zeigt sich in der Zusammenarbeit mit unseren Gastspieler*innen, zeigt sich im gemeinsamen Prozess des Erarbeitens eigener Theaterproduktionen sowie in weiterer Folge bei den gemeinsamen Prozessen mit unserem Publikum. Als lebendiges Medium kann man Theater auch nicht festnageln, sondern muss seine Positionen auch mal ändern, um andere Perspektiven zu gewinnen und zu ermöglichen. Wenn auch wir nun in unserer Theaterarbeit mehr zulassen, geben wir damit auch unserem Publikum mehr Gelegenheit, sich neuen Impulsen und Eindrücken zu öffnen.

Das Publikumsspektrum erweitern​

Indem wir als Tribüne Linz zu unserem zehnten Geburtstag von den Medien außerordentlich gut begleitet wurden, konnten wir unsere Neuorientierung schon sehr gut in der Öffentlichkeit sichtbar machen. Unser Anliegen wird es weiterhin sein, nicht nur in unseren eigenen Produktionen, sondern insgesamt in unserem Programm für genügend Vielfalt zu sorgen, damit sich das Publikum weiter vermischen kann. Diese Vermischung ist ebenfalls ein dynamischer Prozess, den wir genau beobachten müssen. Es kann und soll aber nicht alles von uns selbst gesteuert werden. Dynamiken entwickeln sich und haben sich 2023 sehr positiv entwickelt bei uns. Eben auch, weil wir uns mit anderen Künstler*innen zusammengetan haben, weil wir alte Routinen und Dogmen hinter uns gelassen haben, die uns in anderen Zeiten Sicherheit gegeben haben, die wohl teilweise auch trügerisch waren. Wenn wir nun nicht mehr unter diesem enormen Zeit- und Produktionsdruck arbeiten müssen, bleibt auch mehr Zeit, um die Tribüne Linz quasi auch mehr von außen betrachten zu können, bleibt mehr Zeit für Reflexionen, Zeit, sich in unserem Haus auch selbst mal als Theatergast fühlen zu können bei den Gastspielen. Dies alles kann den eigenen Blick ungemein öffnen.

 

Generationenübergreifende Angebote

Was wir dabei sehen, ist, dass wir da einen sehr lebendigen Organismus verantworten und gestalten, in dem sehr viele Kräfte wirken. Theater ist immer ein lebendiger Organismus, der mitten in der Gesellschaft am besten pulsieren kann. Wir messen unseren Erfolg daher auch an der Publikumsvielfalt, die zu uns ins Theater kommt. Da wir nun auch unkonventioneller programmieren, etwa, indem wir auch Jugendstoffe am Abend anbieten, können wir noch mehr für ein generationenübergreifendes Publikum spielen. Bei unserem Jugendstück MALALA sehen wir gerade, dass das Stück auch Erwachsene anspricht und wir bieten es auch an Abenden an. Gleichzeitig kommen auch viele bereits pensionierte ältere Menschen zu den Vormittagsvorstellungen, die dann auch bei den Nachbesprechungen dem Schülerpublikum etwa von ihren eigenen Erfahrungen als Kriegskinder erzählen. Auch die Jugendlichen berichten von den Fluchterfahrungen in ihren Familien und solche Momente sind es dann auch, die das Theater als kommunikativen und verbindenden Ort so ungemein wertvoll machen.

 

Finanzielle Aspekte

Auch wenn wir sehr rechnen müssen, ein bestimmtes Maß an Berechenbarkeit behalten müssen, um das Theater finanziell stabil zu halten, werden wir uns mit der Tribüne Linz weiterhin den dynamischen Prozessen von Kunst und Kultur öffnen, weitere Zusammenarbeiten eingehen, uns auch verstärkt an die Festivalkultur anbinden und uns noch stärker mit Kolleginnen und Kollegen vernetzen.

 

Die Öffnung unseres Hauses ist ein großer Gewinn für alle, für unser Publikum, für unsere Gastspieler*innen, für uns selber, für die Kunst und Kultur insgesamt. Aber auch der hohe künstlerische Anspruch, den wir als produzierendes Haus bei unseren eigenen Veranstaltungen an uns stellen, hat uns wieder anknüpfen lassen an die Erfolge von früher. Wir tun alles dafür, um unsere Produktionsbedingungen weiter zu verbessern und auch den Veranstaltungsbetrieb so zu managen, dass unser Team und auch wir selber bestmögliche Arbeitsbedingungen vorfinden. Das ist in erster Linie eine finanzielle Frage, aber auch hier kündigt sich nun ebenfalls der lange ersehnte und erkämpfte Um- und Aufbruch an. Dank der Bundesinitiative für Fair Pay hat nun auch das Land OÖ nachgezogen und wir erhalten 2024 eine höhere Landesförderung. Nun hat auch die Stadt Linz mit einer Sonderförderung überrascht. Damit haben sich auf einen Schlag schon jetzt viele Verbesserungen ergeben. Wir können nun besser planen und weitere personelle Kräfte einstellen, damit auch unser Team weiter entlastet wird. Auch wenn die Höhe unseres Budgets noch nicht dort ist, wo wir hinmüssen, sind wir aufgrund all dieser erfreulichen Entwicklungen sehr zuversichtlich, was die weitere Zukunft der Tribüne Linz betrifft.

 

Cornelia Metschitzer, Künstlerische Leiterin der Tribüne Linz

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